Freitag, 27. Juni 2014

Kapitel 21


Mitte Juni 2014 besuchte ich einen Urologen, um ein Ultraschallbild von meiner Blase zu machen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Der Tumor hatte sich erkennbar an der Blasenwand ausgebreitet und was vielleicht noch schlimmer war, ich hatte bereits einen Nierenstau an der rechten Niere. Das bedeutete, dass diese Niere dabei war, abzusterben. Das lag daran, dass sich Krebszellen ausgerechnet an der Stelle gebildet hatten, wo der rechte Harnleiter in die Blase mündete. Das hatte ich nicht erwartet und war wie vor den Kopf gestoßen. Der Urologe riet mir dringend, die Blase sofort entfernen zu lassen.

Ich aber hatte noch einen Trumpf im Ärmel, denn ich wartete auf Post aus Indien. Ich hatte dem ayurvedischen Arzt eine Email geschickt, wo ich ihm meinen Krankheitsfall geschildert hatte. Außerdem hatte ich auf zwei aktuelle Fotos beigefügt, weil er meinen Zustand auf diese Weise begutachten wollte.

Zu dieser Zeit hatte es in meiner Blase seit etwa 10 Tagen nur noch einmal geblutet. Und ausgerechnet diese kleine Blutung hinterließ einen Blutklumpen in meiner Blase, der mit dem Urin nicht abgehen wollte. Dieser Klumpen verursachte starke Schmerzen und vor allem musste ich nachts ständig auf die Toilette, weil die Blase völlig überreizt war. Nach fünf Tagen entschloss ich mich, in die Klinik zu fahren und den Klumpen herauspumpen zu lassen. Leider schlug der Versuch fehl, der Klumpen wollte nicht heraus. Durch die Pumperei aber hatte er seine Lage verändert und löste sich in der folgenden Nacht von alleine beim Wasserlassen. Das Dumme war nur, dass es in der Blase anschließend wieder ständig blutete.

Einige Tage später dann die Antwort aus Indien: Der Arzt teilte mir mit, dass es für seine Medikamente viel zu spät war. Seiner Meinung nach war mein gesamter Urinaltrakt bereits weitgehend metastiert und ich sollte mich, um meine Niere zu retten, sofort operieren lassen. Und wieder fühlte ich mich wie vor den Kopf geschlagen. Trotzdem rief ich umgehend in der Klinik an und vereinbarte einen Operationstermin.

Meine Situation war vollkommen aussichtslos. Eine Operation bedeutete, dass man mir die Blase, die Samenblase, die Prostata und viele Lymphknoten herausschneiden würde. Die Vorstellung, ohne Blase leben zu müssen, war furchterregend. Außerdem konnte es während und nach der Operation zu vielen Komplikationen kommen. Ich recherchierte diesbezüglich im Internet und fand heraus, dass sich die meisten Patienten nach dieser OP nie wieder richtig gesund fühlten. Z.B. war viel von Impotenz, Inkontinenz und monatelangen Darmproblemen die Rede. Ein weiteres Problem stellte mein Allgemeinzustand dar: Durch die lange Zeit der kohlenhydratreduzierten und zuckerlosen Ernährung war ich abgemagert. Ich hatte zwar begonnen wieder stärkereichere Ernährung zu mir zu nehmen, doch mein Körper fühlte sich seit Wochen völlig kraftlos an. Bereits harmloses Spazierengehen über sanfte Steigungen verursachte Schwindelgefühle. Und beim Bücken wurde mir schwarz vor Augen. Mein Blutdruck bewegte sich in der Regel zwischen 90/53 und 100/60.

In den folgenden Tagen fühlte ich mich hilflos wie ein Kind. Bereits ein kurzer Gedanke an die bevorstehende Operation löste entsetzliche Ängste in mir aus. Ich musste mich immer wieder diesen Ängsten stellen und sie bewusst verarbeiten. Obwohl mir rational bewusst war, dass diese Operation mein Leben retten konnte, stürzte mich mein Kopf in immer neue Ängste. Er interessierte sich nicht für meine Rettung, sondern hielt stur an seinem Widerstand fest.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen